Zertifizierte Chest Pain Unit: Wertvoller Baustein der kardiolgischen Akutversorgung

„Die ersten 60 Minuten nach einem Herzinfarkt sind entscheidend für die Überlebenschancen und den Behandlungserfolg“, betont Dr. Paraskevi Petrakopoulou. „Innerhalb dieser ‚goldenen Stunde‘ können wir die heutigen Therapiemöglichkeiten sehr effektiv ausschöpfen.

Je früher Patienten nach dem Auftreten der ersten Symptome bei uns eintreffen, umso besser gelingt es uns, den Herzmuskel vor bleibenden Schäden zu schützen oder gar einen Herzstillstand zu vermeiden“, so die Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie und internistische Intensivmedizin. Sie gehört zum vierköpfigen Oberarztteam der Abteilung Kardiologie & Pneumologie unter der Leitung von Chefarzt Dr. Tilman Kolbe. Dieser Fachbereich bündelt alle Kompetenzen für eine leitliniengerechte Diagnostik und Therapie von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Lungen und Bronchien sowie Gefäßerkrankungen.

Alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Herzinfarktbehandlung
Essenziell für die kardiogische Akutversorgung sind die beiden modernen Herzkatheterlabor-Räume. Neben umfassenden diagnostischen Möglichkeiten setzt das Ärzteteam die wichtige Herzkatheter-Untersuchung ein, um die Folgen einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße oder eines Herzinfarktes zu behandeln. Bei einem Herzinfarkt geht es vordringlich darum, das verschlossene Herzkranzgefäß so rasch wie möglich wieder zu öffnen und eine Gefäßstütze, Stent genannt, zu implantieren, um den Blutfluss wieder herzustellen. Mit einem spezialisierten Bereitschaftsdienst rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche ist das Klinikum jederzeit auf die Notfall- und Akutversorgung von Herzinfarktpatienten eingestellt.

Das Team freut sich gemeinsam über die erfolgreiche Zertifizierung (v.l.n.r.): Katharina Alsleben (Qualitätsmanagement), Tanja De Tschaschell (pflegerische Stationsleitung), Dr. Tilman Kolbe (Chefarzt der Kardiologie & Pneumologie), Dr. Paraskevi Petrakopoulou (Oberärztin Kardiologie und Leitung CPU), Sladjana Juric (kardiologisch spezialisierte Pflegekraft CPU – im Interview S. 10), Crina Grennerth (Leitung Herzkatheterlabor).

Bereits seit zehn Jahren hält die Abteilung zudem eine spezialisierte Einheit zur Überwachung von kardiologischen Notfallpatienten mit akutem Brustschmerz
und Infarktverdacht vor. Diese „Chest Pain Unit“ (CPU) wurde im Februar 2024 mit dem Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) ausgezeichnet. Mit dem Gütesiegel bescheinigt die Fachgesellschaft, dass die spezialisierte Überwachungseinheit am Klinikum Fürstenfeldbruck höchsten Qualitätsstandards gerecht wird. Ins Visier genommen wurden bei der Überprüfung räumliche und apparative Gegebenheiten, Diagnostik- und Therapiestrategien, Ausbildung und Zusatzqualifizierung des Personals sowie die organisatorischen Abläufe in der Einheit.

Mit der permanenten Verfügbarkeit des Herzkatheterlabors und der weiteren medizintechnischen Ausstattung sowie einer Kapazität von vier monitorüberwachten Betten und Einsatzmöglichkeiten von vier interventionell erfahrenen Kardiologen für den Interventionsdienst hat die CPU am Klinikum die wichtigsten Voraussetzungen für eine Zertifizierung erfüllt. Auch den Anforderungen an spezielle Fachkompetenzen und Schulungendes medizinischen Personals, einschließlich der Pflege, wird die Spezialeinheit gerecht.

Optimierung der Behandlungsabläufe entlang europäischer Leitlinien
„Wir haben den Zertifizierungsprozess genutzt, um unsere bestehenden Strukturen und alle Stellschrauben bei etablierten Abläufen nochmals zu überprüfen und diese mit Blick auf aktuelle europäische Leitlinien weiter zu optimieren. Bei Verdacht auf Herzinfarkt wollen wir keine Minute bis zur gegebenenfalls nötigen Intervention verlieren. Deshalb lag unser Fokus darauf, die Zeit der Abklärung auf der CPU weitestmöglich zu verkürzen“, schildert Dr. Petrakopoulou, die sich maßgeblich in die Zertifizierung eingebracht hatte, das Engagement des CPU-Teams.

Entscheidend für den Therapieerfolg bleibt jedoch, dass Patienten mit Beschwerden, die auf einen akuten Herzinfarkt hindeuten, rechtzeitig einen Arzt herbeirufen und dieser rasch für eine Weiterversorgung im Klinikum sorgt. Mitunter kommen Betroffene auch auf eigene Initiative über den Rettungsdienst in die Zentrale Notaufnahme des Klinikums. In der Regel kann die Symptomatik dank geschulten Personals schnell zugeordnet werden. Bei Verdacht auf Herzinfarkt wird der Patient dann unverzüglich in die CPU aufgenommen, damit dort unter kontinuierlicher Überwachung die prognostisch bedeutsamen Parameter erhoben werden können.

Bestätigt sich bei der kardialen Diagnostik unter Einsatz von Elektrokardiographie und bildgebenden Methoden wie Echokardiografie der Verdacht auf einen akuten Herzinfarkt, wird rasch der lebensrettende Eingriff im nahe gelegenen Katheterlabor veranlasst. Wird ein sogenannter ST-Hebungsinfarkt (STEMI) bereits vor der Aufnahme im Klinikum über ein EKG sicher diagnostiziert, übernimmt direkt das Herzkatheterlabor die unmittelbare Weiterbehandlung des Patienten. In den meisten Fällen kommt der CPU eine wichtige Rolle bei der Steuerung und der Kommunikation mit den Notfalldiensten zu.

Zertifizierte Chest Pain Units mit nachgewiesener Erfolgsbilanz
„Mit unserer zertifizierten Chest Pain Unit reihen wir uns ein in die mittlerweile rund 360 kardiologischen Spezialeinheiten bundesweit, die dieses Gütesiegel aufgrund der hohen Qualität bei der Versorgung von Patienten mit unklarem Brustschmerz tragen dürfen. Auswertungen des seit 2008 geführten CPU-Registers weisen messbare Erfolge nach, wenn den Patienten eine strukturierte Behandlung nach den Leitlinien der kardiologischen Fachgesellschaft zugutekommt. Das Sterblichkeitsrisiko sinkt, die Liegezeiten sowie unnötige stationäre Aufenthalte werden reduziert und darüber hinaus können Kosten eingespart werden“, fasst Chefarzt Dr. Kolbe die Ergebnisse vorliegender Studien, in die mehr als 30.000 Patienten eingebunden wurden, zusammen und ergänzt:

„Wir dienen unseren niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen bei kardiologischen Notfällen rund um die Uhr als kompetente Ansprechpartner und bieten Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt das komplette Spektrum moderner Diagnostik und Akuttherapie, so dass sie die bestmögliche Prognose haben, wenn sie rechtzeitig zu uns kommen.“

Wermutstropfen: Lebensrettende Behandlung kommt bei Frauen oft zu spät
Bei typischen Symptomen, wie sie insbesondere bei der männlichen Hauptrisikogruppe jenseits der 60 bekannt sind, greift diese Versorgungskette gut und die rasch einsetzende Behandlung entlang aktueller Leitlinien kann oftmals das Leben der Betroffenen retten. Doch das Herzinfarktrisiko betrifft auch Frauen. Aktuelle Analysen zeigen jedoch eine deutlich schlechtere Prognose für Frauen nach einem Infarkt. Der Grund: Ihre Beschwerden werden oft falsch interpretiert und das damit verbundene Risiko unterschätzt – von den betroffenen Frauen selbst, ihrem Umfeld und ihren betreuenden Ärzten. Bei Frauen vergehen zwischen dem Beginn der Beschwerden und dem Anruf bei der Rettungsstelle durchschnittlich 108 Minuten, während es bei Männern 80 Minuten sind, informiert die Deutsche Herzstiftung e.V. Und eine Münchner Studie kommt zum Ergebnis, dass Frauen über 65 im Schnitt erst nach 4,5 Stunden, gleichaltrige Männer aber nach 3,5 Stunden in der Notaufnahme landen.

„Bei allem Engagement und sorgfältig geplanten Behandlungspfaden bleibt es für uns immer noch eine Herausforderung, Patienten mit atypischer Symptomatik rechtzeitig zu behandeln. Dies gilt vor allem für Frauen mit Herzinfarkt. Sie gelangen aufgrund von Fehleinschätzungen ihres Zustands häufig erst dann zu uns in eine leitliniengerechte Behandlung, wenn das Krankheitsbild schon fortgeschritten ist,“, bedauert Dr. Petrakopoulou und weist darauf hin, dass es verstärkter Aufklärung und Sensibilisierung über die Besonderheiten der geschlechtsspezifischen Risikofaktoren wie auch der möglichen Symptome eines Herzinfarkts bei Frauen bedarf.

Zum Team des Herzkatheterlabors gehören unter anderem (v.l.n.r.): Emila Tyralla, Sandra Carrieri, Crina Grennerth (Leitung Herzkatheterlabor und Kardiofunktion), Franz-Xaver Buchner (Ltd. Oberarzt), Dr. Paraskevi Petrakopoulou (Oberärztin), Susanne Karner, Zeljka Matekovic, Anna Dyagileva.

Das Herzkatheterlabor: Zentrum der kardiologischen Abteilung
Elementar für die Diagnose und Behandlung von Herzkrankheiten ist das Herzkatheterlabor mit zwei Behandlungplätzen. Die Herzkatheterdiagnostik ermöglicht eine detaillierte Darstellung der Herzkranzgefäße und ihrer Veränderungen. Zudem kann die Funktion von Herzkammern und Herzklappen gemessen werden. Bei kritischen Verengungen der Herzkranzgefäße durch Arteriosklerose, wenn Schmerzen in der Brust (Angina pectoris) oder die Gefahr eines Herzinfarktes bestehen, kann mithilfe eines Herzkatheters das betroffene Blutgefäß behandelt und eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt werden. Für die Behandlung des akuten Herzinfarktes steht eine 24/7-h-Bereitschaft zur Verfügung.

(Textauszug aus der Patientenzeitschrift visavis 51).

Warnsignale eines Herzinfarkts erkennen

Zu den typischen Symptomen, die häufig bei Männern auftreten, gehören:

  •  Starker Schmerz, Druck, Brennen im Brustkorb und hinter dem Brustbein üblicherweise über länger als 5 Minuten hinweg, Engegefühl
    in der Brust
  • Eventuell ausstrahlende Schmerzen in andere Brustregionen oder Unterkiefer, linke Schulter und Rücken
  • Atemnot und Unruhe
  • Kalter Schweiß auf Stirn und Oberlippe

Atypische Symptome, die sich oft bei Frauen zeigen:

  • Nacken-, Kiefer-, Schulter- und Rückenschmerzen
  • Oberbauch-Magenschmerz verbunden mit Übelkeit und Erbrechen
  • Müdigkeit, reduzierte Leistungsfähigkeit
  • Kurzatmigkeit

Faustregel: Immer dann den Notarzt rufen, wenn die Beschwerden so heftig auftreten, wie man es noch nicht erlebt hat!